Archive for November, 2022

Statement über Mietkämpfe und Repression

Thursday, November 3rd, 2022

Wir dokumentieren hier ein weiteres Statement von unserer Pressekonferenz vom 20.10.2022, das dort von einem Mitglied der Initiative “Stein 34 bleibt” vorgetragen wurde. Die Pressekonferenz zum Nachhören findet sich hier.

Blaulicht am Steintor, oder: Wer ist hier eigentlich kriminell?

Eigentümer von Wohnraum haben einige Mittel in der Hand, um es Bewohner:innen schwer zu machen und ihnen klar zu machen, dass es besser wäre, sie würden sich eine neue Bleibe suchen. Dabei müssen sich die Eigentümer nicht immer an geltendes Recht halten. Unangekündigte Baumaßnahmen; formal unkorrekte Kündigungen, Rechnungen, Mahnungen; zwischenzeitlich Strom, Gas oder Wasser abstellen; Kellertüren aufbrechen oder Klingelschilder herausreißen; usw.. Der Entmietungsprozess in der Großen Steinstraße 34 hat gezeigt: Auch wenn man als Bewohner das Recht auf seiner Seite wähnt – es ist mit viel Aufwand und Kraft verbunden, sein Recht einzuklagen. In der Regel geht es nicht schnell, auch wenn es um dringendste Fragen geht – oft hängt es nur an Formalitäten, dass offensichtliche Rechtsverstöße nicht oder nicht richtig geahndet werden. Das Mittel der einstweiligen Verfügung erfordert einen zeitlichen Aufwand, den Lohnabhängige, Auszubildende oder Studierende nur schwer aufbringen können. Das Ordnungsamt oder das Bauamt sind bei zweifelhaften Maßnahmen des Eigentümers nur schwer zu erreichen und sind nur schwer für den Fall zu interessieren. Der Rechtsübertritt hat für den Eigentümer selten Konsequenzen. Selbst wenn Bewohner:innen rechtliche Erfolge erzielen, ist dies längst Teil der Kalkulation des Eigentümers und die nächsten Schikanen sind schon im Anmarsch.

Anders sieht es mit dem geltenden Recht bei Mieter:innen aus, die sich gegen Entmietungsprozesse wehren und sogar noch kämpferisch an die Öffentlichkeit gehen. Auch das hat der Fall der Großen Steinstraße 34 gezeigt. Bei den meisten Kundgebungen der Initiative und bei der großen Demonstration am 30.04. waren stets Mitarbeiter:innen des Staatsschutzes zugegen, verbargen sich kaum in ihrer Funktion und beobachteten das Geschehen. Der Umstand, dass sich Leute gegen einen Entmietungsprozess zur Wehr setzen und auf grundlegende Ungleichheiten im Mietverhältnis hinweisen – dieser Umstand allein wird offensichtlich als potentiell staatsgefährdend behandelt. (more…)

Statement vom Schiefen Haus

Tuesday, November 1st, 2022

Im Folgenden dokumentieren wir ein weiteres Statement von unserer Pressekonferenz vom 20.10.2022 zum Nachlesen. Die Initiative “Stein 34 bleibt” hat darauf hingewiesen, dass Mietkämpfe nicht je für sich allein stehen – sondern dass es einen lokalen Bezug gibt, in dem sich verschiedene Auseinandersetzungen aufeinander beziehen. Aus diesem Grund hat auf der Pressekonferenz auch ein ehemaliger Bewohner des “Schiefen Hauses” gesprochen.

Statement von Einzelpersonen aus dem Schiefen Haus

Die Auseinandersetzung um die Große Steinstraße 34 hat nicht in einem luftleeren Raum stattgefunden. Zuvor und parallel haben ähnliche Auseinandersetzungen in Halle stattgefunden. Die Gruppe „Stein 34 bleibt“ hat sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit immer wieder auch auf den Mietkonflikt um das „Schiefe Haus“ bezogen. Weil widerständiges Handeln darauf angewiesen ist, längerfristige Erfahrungen fruchtbar zu machen, soll an dieser Stelle auch noch einmal auf das „Schiefe Haus“ eingegangen werden.

Das „Schiefe Haus“ ist ein altes Fachwerkhaus in der nördlichen Innenstadt, das bis April dieses Jahres von etwa 8 Leuten bewohnt wurde. Es war allerdings mehr als eine Wohngemeinschaft: Es war Treffpunkt, Netzwerk-Knotenpunkt, Ort für Kultur und Subkultur, manchmal eine Art halb-öffentliche Kneipe. Aufgrund seiner zentralen Lage und seines eigentümlichen Zaubers sind hier unterschiedlichste Menschen zusammen gekommen, die sich ohne diesen Ort nicht begegnet wären.

Die ursprünglichen Eigentümer hatten eine Zwischennutzung ermöglicht – dafür hatten die BewohnerInnen bauliche Mängel zu akzeptieren. Das war die Bedingung für die eher unkonventionellen Wohnverhältnisse. Diese Bedingungen gerieten ins Wanken, als das Haus im Herbst 2018 verkauft wurde – neue Eigentümer wurden Wohnprojekte Herold. Den BewohnerInnen war klar, dass Veränderungen anstehen würden und auch, dass es gute Gründe für Sanierungsarbeiten gibt.

Anfangs sah es so aus, als ob Herolds daran interessiert wären, mit den aktuellen BewohnerInnen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Spätestens im Frühjahr 2019 führte der Konflikt um eine kaputte Heizungsanlage zum Abbruch der Gespräche. Seit dem waren die BewohnerInnen mit typischen Entmietungsmaßnahmen konfrontiert: Verweigerung von dringend notwendigen Reparaturen, willkürliche Rechnungen und Abmahnungen, Wasser abstellen, keine Antworten auf Rückfragen in Mietangelegenheiten, usw. Kurze Zeit später folgte die Kündigung. Begründung: Eigenbedarf. Herolds Töchter würden in das Haus einziehen wollen. Die BewohnerInnen wussten, dass dies ein vorgeschobener Grund war, wie sich mittlerweile auch bestätigt hat: Seit April ist das Haus zugenagelt und steht leer. Weil die BewohnerInnen die Kündigung nicht akzeptiert haben, folgte ein Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht. Dieses Gerichtsverfahren war für das Schiefe Haus Anlass, in die Öffentlichkeit zu gehen und die Auseinandersetzung zu politisieren. Das Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht haben die BewohnerInnen gewonnen. Doch es ging in die nächste Runde, vors Landgericht. Hier haben die BewohnerInnen aufgegeben, sich auf eine Einigung eingelassen und sich gegen eine Abfindung rauskaufen lassen. Nach 3 Jahren Mietkampf war die Erschöpfung zu groß. Die BewohnerInnen des Schiefen Hauses haben eine ähnliche Erfahrung gemacht, wie jetzt die BewohnerInnen der Großen Steinstraße 34. (more…)